Zivilrecht
BAG zum Verfall von Urlaubsansprüchen
03.02.2023 11:24
Bekanntermaßen unterliegt der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub der gesetzlichen Verjährung. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch entschieden, die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
In dem entschiedenen Fall begehrte die Klägerin nach Beendigung des Arbitsverhältnisses noch Urlaubsabegltung im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren. Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, sprach das Landesarbeitsgericht (LAG) der Klägerin 17.376,64 EUR brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das Landesarbeitsgericht den Einwand des Beklagten, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend. Im anschließenden Revisionsverfahren bestätigte das BAG diese Entscheidung des LAG: Zwar seien die Vorschriften über die Verjährung in §§ 214 I, 194 I BGB auf den gesetzlichen Mindesturlaub anzuwenden; die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 I BGB jedoch erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Der Senat hat damit die Vorgaben des EuGH aufgrund der Vorabentscheidung vom 22.9.2022 (EuGH ECLI:EU:C:2022:718 = NZA 2022, 1326 – Prescription du droit au congé annuel payé (C-120/21)) umgesetzt. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole. Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 III 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 III 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.
Insbesondere bei der Beendigung von Arbetsverhältnissen ist diese geänderte Rechtslage zu beachten.
BAG vom 20.12.2022 – 9 AZR 266/20
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In dem entschiedenen Fall begehrte die Klägerin nach Beendigung des Arbitsverhältnisses noch Urlaubsabegltung im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren. Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, sprach das Landesarbeitsgericht (LAG) der Klägerin 17.376,64 EUR brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das Landesarbeitsgericht den Einwand des Beklagten, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend. Im anschließenden Revisionsverfahren bestätigte das BAG diese Entscheidung des LAG: Zwar seien die Vorschriften über die Verjährung in §§ 214 I, 194 I BGB auf den gesetzlichen Mindesturlaub anzuwenden; die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 I BGB jedoch erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Der Senat hat damit die Vorgaben des EuGH aufgrund der Vorabentscheidung vom 22.9.2022 (EuGH ECLI:EU:C:2022:718 = NZA 2022, 1326 – Prescription du droit au congé annuel payé (C-120/21)) umgesetzt. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole. Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 III 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 III 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.
Insbesondere bei der Beendigung von Arbetsverhältnissen ist diese geänderte Rechtslage zu beachten.
BAG vom 20.12.2022 – 9 AZR 266/20
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BGH zu Cookies
02.06.2020 11:23
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, welche Anforderungen an die Einwilligung in telefonische Werbung und die Speicherung von Cookies auf dem Endgerät des Nutzers zu stellen sind.
Damit ist die Entscheidung für das Setzen von Cookies gefallen. Dient also das Setzen oder der Abruf von Cookies (oder einer vergleichbaren Technologie) auf dem Endgerät des Nutzers der Erstellung von Nutzungsprofilen zum „Zwecke der Werbung oder Marktforschung“, so ist die vorherige Einwilligung des Nutzers erforderlich. Es spielt dabei keine Rolle, ob das Cookie oder die eingesetzte Technik personenbezogene Daten beinhaltet oder nicht. So fallen unter das Einwilligungserfordernis auch Tracking-Mechanismen, die anonymisierte Nutzungsprofile erstellen.
Klar ist jetzt: Die Einwilligungshandlung muss eindeutig erfolgen, bereits vorangekreuzte Kästchen reichen nicht mehr aus.
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat im kürzlich aktualisierten Leitfaden die Grundsätze zur Einwilligung in die Nutzung einer Internetseite dargestellt. Danach ist insbesondere die Einwilligung freiwillig zu erteilen. Der Zugriff auf eine Webseite darf nicht von der Zustimmung zu Webtracking etc. abhängig gemacht werden. Die Zustimmung oder Ablehnung in den Einsatz von Cookies und ähnlichen Technologien muss transparent erfolgen, d.h. ein einfaches Scrollen oder wahlloses Klicken auf eine Webseite stellt keine eindeutige und bestätigende Handlung der Nutzerin oder des Nutzers dar. Eine differenzierte, eindeutige Zustimmungsmöglichkeit muss zur Verfügung gestellt werden.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - I ZR 7/16 - Cookie-Einwilligung II
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Damit ist die Entscheidung für das Setzen von Cookies gefallen. Dient also das Setzen oder der Abruf von Cookies (oder einer vergleichbaren Technologie) auf dem Endgerät des Nutzers der Erstellung von Nutzungsprofilen zum „Zwecke der Werbung oder Marktforschung“, so ist die vorherige Einwilligung des Nutzers erforderlich. Es spielt dabei keine Rolle, ob das Cookie oder die eingesetzte Technik personenbezogene Daten beinhaltet oder nicht. So fallen unter das Einwilligungserfordernis auch Tracking-Mechanismen, die anonymisierte Nutzungsprofile erstellen.
Klar ist jetzt: Die Einwilligungshandlung muss eindeutig erfolgen, bereits vorangekreuzte Kästchen reichen nicht mehr aus.
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat im kürzlich aktualisierten Leitfaden die Grundsätze zur Einwilligung in die Nutzung einer Internetseite dargestellt. Danach ist insbesondere die Einwilligung freiwillig zu erteilen. Der Zugriff auf eine Webseite darf nicht von der Zustimmung zu Webtracking etc. abhängig gemacht werden. Die Zustimmung oder Ablehnung in den Einsatz von Cookies und ähnlichen Technologien muss transparent erfolgen, d.h. ein einfaches Scrollen oder wahlloses Klicken auf eine Webseite stellt keine eindeutige und bestätigende Handlung der Nutzerin oder des Nutzers dar. Eine differenzierte, eindeutige Zustimmungsmöglichkeit muss zur Verfügung gestellt werden.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - I ZR 7/16 - Cookie-Einwilligung II
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Rückzahlungspflicht bei verspäteter Rücksendung der Ware
15.04.2019 12:19
Verliert der Verbraucher seinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, wenn er nach fristgerechtem Widerruf die erhaltene Ware erst nach einigen Monaten zurücksendet? Das AG Münster hat entschieden, dass der klagende Verbraucher seinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises auch nicht dadurch verloren hat, dass er die erhaltene Ware erst fünf Monate später zurückgesandt hat.
Nach geltender Rechtslage sind nach Ausübung des Widerrufs durch einen Verbraucher die wechselseitig empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugeben, bei Käufen über das Internet spätestens nach 14 Tagen (§ 355 Abs. 3 S. 1, § 357 Abs. 1 BGB). Aufgrund der langen Zeit, die sich der Käufer mit der Rücksendung ließ, machte der Shopbetreiber geltend, der Käufer habe seinen Rückzahlungsanspruch verwirkt.
Auch wenn die genannten Rechtsvorschriften eine genaue Zeitspanne festlegen, innerhalb derer die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren sind, führt ihre Überschreitung jedoch nicht zu einem Ausschluss, sondern lediglich dazu, dass sich der Säumige in Verzug befindet und sich möglichen Regressforderungen infolge Schuldnerverzugs aussetzt. Gebrauchsvorteile als Schaden infolge zu später Rücksendung der Ware werden jedoch nur im Ausnahmefall gewährt und wurden im hier zu entscheidenden Fall auch nicht geltend gemacht.
Da ein expliziter Ausschluss also nicht geregelt ist, konnte der Verkäufer sich nur noch auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verwirkung gem. § 242 BGB berufen, den das Gericht jedoch ablehnte. Die hierfür erforderlichen zusätzlichen Umstandsmomente, aus denen der Verkäufer ausnahmsweise darauf vertrauen durfte, dass der Käufer die Ware nicht mehr zurücksenden und seine Ansprüche nicht mehr geltend machen würde, lagen nicht vor.
Eine "griffige" Handhabe gegen säumige Rücksender steht daher den Shopbetreibern nicht zur Seite. Hier hilft es nur, den Kunden an seine Rücksendepflicht zu erinnern. Immerhin muss der Verkäufer den Kaufpreis erst nach Erhalt der Rücksendung bzw. des Absendenachweises erstatten (§ 357 Abs. 4 BGB). Das Risiko, dass die Rücksendung verloren geht oder beschädigt wird, trägt er ohnehin (§ 355 Abs. 3 S. 4 BGB).
AG Münster, Urteil v. 21.09.2018, Az. 48 C 432/18
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Nach geltender Rechtslage sind nach Ausübung des Widerrufs durch einen Verbraucher die wechselseitig empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugeben, bei Käufen über das Internet spätestens nach 14 Tagen (§ 355 Abs. 3 S. 1, § 357 Abs. 1 BGB). Aufgrund der langen Zeit, die sich der Käufer mit der Rücksendung ließ, machte der Shopbetreiber geltend, der Käufer habe seinen Rückzahlungsanspruch verwirkt.
Auch wenn die genannten Rechtsvorschriften eine genaue Zeitspanne festlegen, innerhalb derer die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren sind, führt ihre Überschreitung jedoch nicht zu einem Ausschluss, sondern lediglich dazu, dass sich der Säumige in Verzug befindet und sich möglichen Regressforderungen infolge Schuldnerverzugs aussetzt. Gebrauchsvorteile als Schaden infolge zu später Rücksendung der Ware werden jedoch nur im Ausnahmefall gewährt und wurden im hier zu entscheidenden Fall auch nicht geltend gemacht.
Da ein expliziter Ausschluss also nicht geregelt ist, konnte der Verkäufer sich nur noch auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verwirkung gem. § 242 BGB berufen, den das Gericht jedoch ablehnte. Die hierfür erforderlichen zusätzlichen Umstandsmomente, aus denen der Verkäufer ausnahmsweise darauf vertrauen durfte, dass der Käufer die Ware nicht mehr zurücksenden und seine Ansprüche nicht mehr geltend machen würde, lagen nicht vor.
Eine "griffige" Handhabe gegen säumige Rücksender steht daher den Shopbetreibern nicht zur Seite. Hier hilft es nur, den Kunden an seine Rücksendepflicht zu erinnern. Immerhin muss der Verkäufer den Kaufpreis erst nach Erhalt der Rücksendung bzw. des Absendenachweises erstatten (§ 357 Abs. 4 BGB). Das Risiko, dass die Rücksendung verloren geht oder beschädigt wird, trägt er ohnehin (§ 355 Abs. 3 S. 4 BGB).
AG Münster, Urteil v. 21.09.2018, Az. 48 C 432/18
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BGH: Digitaler Nachlass gehört den Erben
12.07.2018 11:33
Mit seiner heutigen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) geklärt, dass ein Benutzerkonto bei einem sozialen Netzwerk im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten übergeht und diese einen Anspruch gegen den Netzwerkbetreiber auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte haben.
Geklagt hatte die Mutter der im Alter von 15 Jahren unter bisher ungeklärten Umständen verstorbenen Kontoinhaberin. Ein Einloggen in das Konto der Verstorbenen war nicht mehr möglich, weil das beklagte Netzwerk (Facebook) es inzwischen in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen.
Der Klage auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten hat der BGH nun entsprochen. Die Klägerin hatte geltend gemacht, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadensersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.
Der BGh stellte fest, dass das Vertragsverhältnis der Verstorbenen zu Facebook nach den gesetzlichen Bestimmungen auf die Erben überging und ein solcher Übergang auch nicht vertraglich ausgeschlossen wurde. Die Bestimmungen zu dem sog. Gedenkzustand sind AGB-widrig und daher unwirksam. Auch eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten scheidet aus. Nach der gesetzgeberischen Wertung gehen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben über. So werden analoge Dokumente wie Tagebücher und persönliche Briefe vererbt, wie aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB zu schließen ist. Es besteht aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln.
Die Instanzgerichte hatten diese Frage noch unterschiedlich gewertet, so dass die nun erfolgte höchstrichterliche Klarstellung zu begrüßen ist. Sie gewichtet die berechtigten Interessen der Erben als überwiegend gegenüber den Interessen von Facebook, so dass die erben zukünftig volle Entscheidungshoheit auch darüber besitzen, wie mit den in sozialen Netzwerken verbliebenen Daten und Inhalten umzugehen ist. Eine erfreuliche Entscheidung.
BGH vom 12.07.2018 (Az.: III ZR 183/17)
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Geklagt hatte die Mutter der im Alter von 15 Jahren unter bisher ungeklärten Umständen verstorbenen Kontoinhaberin. Ein Einloggen in das Konto der Verstorbenen war nicht mehr möglich, weil das beklagte Netzwerk (Facebook) es inzwischen in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen.
Der Klage auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten hat der BGH nun entsprochen. Die Klägerin hatte geltend gemacht, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadensersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.
Der BGh stellte fest, dass das Vertragsverhältnis der Verstorbenen zu Facebook nach den gesetzlichen Bestimmungen auf die Erben überging und ein solcher Übergang auch nicht vertraglich ausgeschlossen wurde. Die Bestimmungen zu dem sog. Gedenkzustand sind AGB-widrig und daher unwirksam. Auch eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten scheidet aus. Nach der gesetzgeberischen Wertung gehen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben über. So werden analoge Dokumente wie Tagebücher und persönliche Briefe vererbt, wie aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB zu schließen ist. Es besteht aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln.
Die Instanzgerichte hatten diese Frage noch unterschiedlich gewertet, so dass die nun erfolgte höchstrichterliche Klarstellung zu begrüßen ist. Sie gewichtet die berechtigten Interessen der Erben als überwiegend gegenüber den Interessen von Facebook, so dass die erben zukünftig volle Entscheidungshoheit auch darüber besitzen, wie mit den in sozialen Netzwerken verbliebenen Daten und Inhalten umzugehen ist. Eine erfreuliche Entscheidung.
BGH vom 12.07.2018 (Az.: III ZR 183/17)
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EuGH bestätigt gemeinsame Verantwortung von Facebook und Fanpage-Betreibern
08.06.2018 12:54
Der EuGH hat in einer Entscheidung vom 5. Juni 2018 befunden, dass der Betreiber einer Facebook-Fanpage gemeinsam mit Facebook für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Besucher seiner Seite verantwortlich ist. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat sich mit einer Entschließung vom 06.06.2018 dieser Auffassung angeschlossen. Nach ihrer Ansicht ist ein rechtskonformer Betrieb einer Facebook-Fanpage bzw. Facebook-Seite derzeit nicht möglich, da die Nutzer ohne Mitwirkung von Facebook keine datenschutzkonforme Seite vorhalten können.
Fanpages sind Benutzerkonten, die bei Facebook von Privatpersonen oder Unternehmen eingerichtet werden können. Der Fanpage-Anbieter kann nach einer Registrierung bei Facebook die von diesem unterhaltene Plattform dazu benutzen, sich den Nutzern dieses sozialen Netzwerks sowie Personen, die die Fanpage besuchen, zu präsentieren und Äußerungen aller Art in den Medien- und Meinungsmarkt einzubringen.
Gemäß einer Pressemitteilung der DSK ist damit folgendes zu beachten:
Die Entscheidung des EuGH vom 05.06.2018 (Az.: C-210/16) finden Sie hier.
Die Pressemitteilung der DSK finden Sie hier.
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Fanpages sind Benutzerkonten, die bei Facebook von Privatpersonen oder Unternehmen eingerichtet werden können. Der Fanpage-Anbieter kann nach einer Registrierung bei Facebook die von diesem unterhaltene Plattform dazu benutzen, sich den Nutzern dieses sozialen Netzwerks sowie Personen, die die Fanpage besuchen, zu präsentieren und Äußerungen aller Art in den Medien- und Meinungsmarkt einzubringen.
Gemäß einer Pressemitteilung der DSK ist damit folgendes zu beachten:
- Wer eine Fanpage besucht, muss transparent und in verständlicher Form darüber informiert werden, welche Daten zu welchen Zwecken durch Facebook und die Fanpage-Betreiber verarbeitet werden. Dies gilt sowohl für Personen, die bei Facebook registriert sind, als auch für nicht registrierte Besucherinnen und Besucher des Netzwerks.
- Betreiber von Fanpages sollten sich selbst versichern, dass Facebook ihnen die Informationen zur Verfügung stellt, die zur Erfüllung der genannten Informationspflichten benötigt werden.
- Soweit Facebook Besucherinnen und Besucher einer Fanpage durch Erhebung personenbezogener Daten trackt, sei es durch den Einsatz von Cookies oder vergleichbarer Techniken oder durch die Speicherung der IP-Adresse, ist grundsätzlich eine Einwilligung der Nutzenden erforderlich, die die Anforderung der DS-GVO erfüllt.
- Für die Bereiche der gemeinsamen Verantwortung von Facebook und Fanpage- Betreibern ist in einer Vereinbarung festzulegen, wer von ihnen welche Verpflichtung der DS-GVO erfüllt. Diese Vereinbarung muss in wesentlichen Punkten den Betroffenen zur Verfügung gestellt werden, damit diese ihre Betroffenenrechte wahrnehmen können.
Die Entscheidung des EuGH vom 05.06.2018 (Az.: C-210/16) finden Sie hier.
Die Pressemitteilung der DSK finden Sie hier.
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BGH zum Einsatz von Dashcams im Straßenverkehr
15.05.2018 15:02
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer Entscheidung vom 15.05.2018 Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess zugelassen.
Im Streitfall stritten die Parteien darüber, wer auf zwei Parallelspuren fahrend seine Spur verlassen und dadurch eine Kollision herbeigeführt hatte. Die Vorinstanzen hatten die Verwertung von Aufnahmen einer von einer Prozesspartei an der Windschutzscheibe montierten Dashcam nicht zugelassen, da diese gegen Datenschutzbestimmungen verstießen und damit ein Beweisverwertungsverbot vorliege. Die Aufnahmen dürften im Prozess nicht als Beweismittel verwendet werden.
Der BGH sieht das anders. Zwar verstößt eine permanente und anlasslose Aufzeichnung des gesamten Verkehrsgeschehens gegen Datenschutzbestimmungen, denn eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens sei technisch möglich, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und ein Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges. Das wiederum heißt, Dashcams sind dann auch aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten dann nicht zu beanstanden, wenn sie technisch entsprechend ausgerüstet und eingestellt sind.
Doch führe die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung im Zivilprozess nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Das Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche finde eine Stütze in strafrechtlichen Bestimmungen (§ 142 StGB - unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) und in § 34 StVO, nach dem auf Verlangen der eigene Name und die eigene Anschrift anzugeben, der Führerschein und der Fahrzeugschein vorzuweisen sowie Angaben über die Haftpflichtversicherung zu machen sind.
Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den sich der Beklagte freiwillig begeben habe. Er habe sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Rechnung zu tragen sei auch der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt.
Entsprechend überwiege das Interesse des Beweispflichtigen, Videoaufzeichnungen vom Unfallgeschehen auch dann als Beweismittel im Zivilprozess zuzulassen, wenn diese unter Verstoß gegen Bestimmungen des Datenschutzes hergestellt wurden.
BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17
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Im Streitfall stritten die Parteien darüber, wer auf zwei Parallelspuren fahrend seine Spur verlassen und dadurch eine Kollision herbeigeführt hatte. Die Vorinstanzen hatten die Verwertung von Aufnahmen einer von einer Prozesspartei an der Windschutzscheibe montierten Dashcam nicht zugelassen, da diese gegen Datenschutzbestimmungen verstießen und damit ein Beweisverwertungsverbot vorliege. Die Aufnahmen dürften im Prozess nicht als Beweismittel verwendet werden.
Der BGH sieht das anders. Zwar verstößt eine permanente und anlasslose Aufzeichnung des gesamten Verkehrsgeschehens gegen Datenschutzbestimmungen, denn eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens sei technisch möglich, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und ein Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges. Das wiederum heißt, Dashcams sind dann auch aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten dann nicht zu beanstanden, wenn sie technisch entsprechend ausgerüstet und eingestellt sind.
Doch führe die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung im Zivilprozess nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Das Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche finde eine Stütze in strafrechtlichen Bestimmungen (§ 142 StGB - unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) und in § 34 StVO, nach dem auf Verlangen der eigene Name und die eigene Anschrift anzugeben, der Führerschein und der Fahrzeugschein vorzuweisen sowie Angaben über die Haftpflichtversicherung zu machen sind.
Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den sich der Beklagte freiwillig begeben habe. Er habe sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Rechnung zu tragen sei auch der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt.
Entsprechend überwiege das Interesse des Beweispflichtigen, Videoaufzeichnungen vom Unfallgeschehen auch dann als Beweismittel im Zivilprozess zuzulassen, wenn diese unter Verstoß gegen Bestimmungen des Datenschutzes hergestellt wurden.
BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17
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Vertrieb von apothekenpflichtigen Medizinprodukten über Amazon
12.04.2018 16:45
Das Landgericht Dessau hat entschieden, dass der Vertrieb von apothekenpflichtigen Medizinprodukten über Amazon verboten ist. Diese jüngste Entscheidung schließt sich an die bisherige Rechtsprechung an, die den Vertrieb von apothekenpflichtigen Medikamenten über allgemeine Internet-Plattformen für unzulässig hält.
In der Entscheidung des LG Dessau wird insbesondere die Verletzung von Datenschutzbestimmungen geltend gemacht. Danach muss der Kunde vorab seine Einwilligung mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten gegenüber einer Person oder Institution erteilen, die zum Umgang mit diesen gesundheitsbezogenen Daten berechtigt ist. Ansonsten liegt ein abmahnfähiger Rechtsverstoß im Sinne von § 4a Abs. 3 BDSG in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nummer 1 UWG vor.
Diese Befugnis hatte zwar der eigentliche Verkäufer, ein Apotheker, der seine Produkte über Amazon zum Verkauf anbot. Die von ihm (noch) rechtskonform erhobenen Daten werden jedoch an Amazon weitergegeben, worin der Verstoß gegen Die genannten Datenschutzbestimmungen liegt. Die Abmahnung und der anschließend gerichtlich geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist daher berechtigt.
Landgericht Dessau, Urteil vom 28. März 2018 - 3 O 29/17
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In der Entscheidung des LG Dessau wird insbesondere die Verletzung von Datenschutzbestimmungen geltend gemacht. Danach muss der Kunde vorab seine Einwilligung mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten gegenüber einer Person oder Institution erteilen, die zum Umgang mit diesen gesundheitsbezogenen Daten berechtigt ist. Ansonsten liegt ein abmahnfähiger Rechtsverstoß im Sinne von § 4a Abs. 3 BDSG in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nummer 1 UWG vor.
Diese Befugnis hatte zwar der eigentliche Verkäufer, ein Apotheker, der seine Produkte über Amazon zum Verkauf anbot. Die von ihm (noch) rechtskonform erhobenen Daten werden jedoch an Amazon weitergegeben, worin der Verstoß gegen Die genannten Datenschutzbestimmungen liegt. Die Abmahnung und der anschließend gerichtlich geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist daher berechtigt.
Landgericht Dessau, Urteil vom 28. März 2018 - 3 O 29/17
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PayPal und Käuferschutz
09.04.2018 10:57
Der Online-Einkauf nimmt ständig zu. Bezahldienste wie PayPal sind dabei nicht nur eine einfach zu handhabende Möglichkeit, den Zahlungsverkehr abzuwickeln, sie bieten darüber hinaus zusätzlichen Käuferschutz, indem sie quasi parallel zur Rechtsordnung des BGB eigene Mechanismen zur Abwicklung bei Mängeln und/oder nicht erhaltenen Lieferungen bereitstellen. In 2 Entscheidungen hat sich der BGH jüngst mit diesen Regelungen auseinandergesetzt.
In dem einen Fall hatte der Käufer, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, das über Ebay erworbene und per Post versandte Mobiltelefon nicht erhalten und den PayPal-Käuferschutz in Anspruch genommen. Da der Verkäufer den gemäß AGB von PayPal erforderlichen Versandbeleg nicht vorweisen konnte und auch eine Sendungsverfolgung ohne Erfolg blieb, erstattete PayPal den Kaufpreis an den Käufer zurück. Der Verkäufer erhob anschließend Klage auf (erneute) Zahlung des Kaufpreises, die nun höchstrichterlich zugesprochen wurde: Der Käufer muss den Kaufpreis erneut bezahlen, ohne das Mobiltelefon erhalten zu haben (BGH vom 27.11.2017 - VIII ZR 83/16).
Beim sog. Versendungskauf ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, an wen der Verkauf erfolgt: Ist der Käufer ein Verbraucher, so ist er geschützt, bis das versendete Kaufobjekt bei ihm eintrifft (§ 475 Abs. 2 BGB); der Unternehmer jedoch trägt als Käufer das Risiko bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem der Verkäufer den Artikel zur Post aufgibt (§ 447 Abs. 1 BGB). Dass er das Mobiltelefon tatsächlich verschickt hatte, konnte der Verkäufer zwar nicht schriftlich nachweisen - wie von PayPal gefordert - aber durch Zeugenbeweis, was wiederum vor den Zivilgerichten ausreichte. Das juristische Kernproblem lag darin, dass der Kaufpreis mit der Zahlung durch PayPal an der Verkäufer bereits erloschen war. Der BGH regelte nun, dass mit Vereinbarung des Bezahldienstes PayPal zugleich konkludent vereinbart wird, dass die ursprüngliche Kaufpreisforderung nach Rückzahlung des Kaufpreises durch PayPal wieder auflebt und neu eingeklagt werden kann.
In dem anderen Fall hatte der Käufer geltend gemacht, die bestellte Bandsäge stimme nicht mit Lichtbildern im Internet überein und erhielt ebenfalls über den PayPal-Käuferschutz den Kaufpreis erstattet. Auch hier entschieden die Zivilgerichte in letzter Instanz zugunsten des Verkäufers, so dass der Käufer den Kaufpreis ein zweites Mal zu entrichten hatte (BGH vom 27.11.2017 - VIII ZR 213/16).
Beide Entscheidungen tragen wesentlich zur Klärung des Verhältnisses von PayPal-Käuferschutzbestimmungen einerseits und den gesetzlichen Regelungen des Kaufrechts andererseits bei: Der über PayPal erhältliche Käuferschutz ist nicht etwa eine Art Schiedsgerichtsentscheidung, die abschließend über den Sachverhalt entscheidet, möglicherweise sogar abweichend zu dem gesetzlichen Regelungsgeflecht aus Gefahrtragung, Gewährleistung und prozessualer Beweislast. Der PayPal-Käuferschutz besteht unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen, so dass mit einer Rückzahlung des Kaufpreises infolge Rüge durch den Käufer die ursprüngliche Kaufpreisforderung wieder auflebt und ggf. auch gerichtlich durchgesetzt werden kann.
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In dem einen Fall hatte der Käufer, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, das über Ebay erworbene und per Post versandte Mobiltelefon nicht erhalten und den PayPal-Käuferschutz in Anspruch genommen. Da der Verkäufer den gemäß AGB von PayPal erforderlichen Versandbeleg nicht vorweisen konnte und auch eine Sendungsverfolgung ohne Erfolg blieb, erstattete PayPal den Kaufpreis an den Käufer zurück. Der Verkäufer erhob anschließend Klage auf (erneute) Zahlung des Kaufpreises, die nun höchstrichterlich zugesprochen wurde: Der Käufer muss den Kaufpreis erneut bezahlen, ohne das Mobiltelefon erhalten zu haben (BGH vom 27.11.2017 - VIII ZR 83/16).
Beim sog. Versendungskauf ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, an wen der Verkauf erfolgt: Ist der Käufer ein Verbraucher, so ist er geschützt, bis das versendete Kaufobjekt bei ihm eintrifft (§ 475 Abs. 2 BGB); der Unternehmer jedoch trägt als Käufer das Risiko bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem der Verkäufer den Artikel zur Post aufgibt (§ 447 Abs. 1 BGB). Dass er das Mobiltelefon tatsächlich verschickt hatte, konnte der Verkäufer zwar nicht schriftlich nachweisen - wie von PayPal gefordert - aber durch Zeugenbeweis, was wiederum vor den Zivilgerichten ausreichte. Das juristische Kernproblem lag darin, dass der Kaufpreis mit der Zahlung durch PayPal an der Verkäufer bereits erloschen war. Der BGH regelte nun, dass mit Vereinbarung des Bezahldienstes PayPal zugleich konkludent vereinbart wird, dass die ursprüngliche Kaufpreisforderung nach Rückzahlung des Kaufpreises durch PayPal wieder auflebt und neu eingeklagt werden kann.
In dem anderen Fall hatte der Käufer geltend gemacht, die bestellte Bandsäge stimme nicht mit Lichtbildern im Internet überein und erhielt ebenfalls über den PayPal-Käuferschutz den Kaufpreis erstattet. Auch hier entschieden die Zivilgerichte in letzter Instanz zugunsten des Verkäufers, so dass der Käufer den Kaufpreis ein zweites Mal zu entrichten hatte (BGH vom 27.11.2017 - VIII ZR 213/16).
Beide Entscheidungen tragen wesentlich zur Klärung des Verhältnisses von PayPal-Käuferschutzbestimmungen einerseits und den gesetzlichen Regelungen des Kaufrechts andererseits bei: Der über PayPal erhältliche Käuferschutz ist nicht etwa eine Art Schiedsgerichtsentscheidung, die abschließend über den Sachverhalt entscheidet, möglicherweise sogar abweichend zu dem gesetzlichen Regelungsgeflecht aus Gefahrtragung, Gewährleistung und prozessualer Beweislast. Der PayPal-Käuferschutz besteht unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen, so dass mit einer Rückzahlung des Kaufpreises infolge Rüge durch den Käufer die ursprüngliche Kaufpreisforderung wieder auflebt und ggf. auch gerichtlich durchgesetzt werden kann.
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BGH zu Prüfpflicht von Google
27.02.2018 13:35
Mit seiner Entscheidung vom 27.02.2018 (Az.: VI ZR 489/16) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Betreiber einer Internet-Suchmaschine nicht verpflichtet ist, sich vor der Anzeige eines Suchergebnisses darüber zu vergewissern, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen beinhalten. Der Suchmaschinenbetreiber muss erst reagieren, wenn er durch einen konkreten Hinweis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Kenntnis erlangt.
Die beanstandeten Inhalte seien keine eigenen Inhalte des Suchmaschinenbetreibers. Google habe die beanstandeten Seiten zwar durch Verlinkung auffindbar macht, sie aber dadurch nicht zu eigenen Inhalten gemacht. Sie wurden von anderen Personen ins Internet eingestellt. Google durchsuche lediglich mit Hilfe von Programmen die im Internet vorhandenen Seiten und erstelle hieraus automatisiert einen Suchindex. Eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers setze aber die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Von Suchmaschinenbetreibern könne vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass sie sich vergewissern, ob die aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet eingestellt worden sind, bevor diese aufgefunden wurden. Die Annahme einer - praktisch kaum zu bewerkstelligenden - allgemeinen Kontrollpflicht würde die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell, das von der Rechtsordnung gebilligt worden und gesellschaftlich erwünscht ist, ernstlich in Frage stellen. Ohne die Hilfestellung einer solchen Suchmaschine wäre das Internet aufgrund der nicht mehr übersehbaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar. Den Betreiber einer Suchmaschine treffen daher erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat.
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Die beanstandeten Inhalte seien keine eigenen Inhalte des Suchmaschinenbetreibers. Google habe die beanstandeten Seiten zwar durch Verlinkung auffindbar macht, sie aber dadurch nicht zu eigenen Inhalten gemacht. Sie wurden von anderen Personen ins Internet eingestellt. Google durchsuche lediglich mit Hilfe von Programmen die im Internet vorhandenen Seiten und erstelle hieraus automatisiert einen Suchindex. Eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers setze aber die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Von Suchmaschinenbetreibern könne vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass sie sich vergewissern, ob die aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet eingestellt worden sind, bevor diese aufgefunden wurden. Die Annahme einer - praktisch kaum zu bewerkstelligenden - allgemeinen Kontrollpflicht würde die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell, das von der Rechtsordnung gebilligt worden und gesellschaftlich erwünscht ist, ernstlich in Frage stellen. Ohne die Hilfestellung einer solchen Suchmaschine wäre das Internet aufgrund der nicht mehr übersehbaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar. Den Betreiber einer Suchmaschine treffen daher erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat.
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